Wegen meiner Tiere kann ich das Anwesen nur stundenweise verlassen und trotzdem war ich heuer fünfmal in meiner Heimatstadt Elbogen an der Eger (bei Karlsbad). Warum?


So oft ich in diesen Jahren dort war, schaute ich wehmütig auf die letzten Reste der ehemaligen Johanniskirche unmittelbar neben der Fernstraße nach Marienbad. In ihr waren meine Eltern getraut worden. Ein Fremder hätte unter diesem Schutthaufen, der inzwischen schon reichlich mit Grün bewachsen war, niemals die Grundmauern eines Gotteshauses vermutet. So perfekt waren alle Spuren verwischt worden. Aber heuer am 8. Mai kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: aller lockere Schutt war weggeräumt, der senkrechte Mauersockel frei sichtbar und der Weg daneben wieder begehbar. Mein erster Gedanke: Sie rudern zurück! Wir müssen ihnen unsere alten Fotos bringen.


Am Freitag, dem 13. August ging ich mit meiner Cousine aus München und deren Tochter ins Elbogener Rathaus und legte meine spärlichen Fotos aus der Hans-Heiling-Straße vor. Der Herr Stadtdirektor schlug die jüngste Chronik auf und zeigte uns darin ein weit wertvolleres Foto von der Johanniskirche als die beiden meinigen. Die anderen Bilder konnte er aber brauchen. In jener „Dějiny města Lokte“ (Geschichte der Stadt Elbogen) blätterte er für uns einige Seiten weiter bis zu deutschen Texten. Meine Cousine zeigte sofort auf den Namen Brandt Josef, Schlossermeister. „Unser Großvater“ kam es wie aus einem Munde. Ich fragte sogleich Herrn Horčička: „Kann man dieses Buch auch kaufen?“ Er lange noch einmal in seinen Schreibtisch und reichte mir ein zweites Exemplar mit den Worten: „Sie kriegen das geschenkt.“ Ein Buch dieser Ausstattung würde bei uns sicher 40,- Euro kosten. - Es war, als wenn unsere totgeglaubte Heimat mit diesem Buch für uns wieder lebendig würde. Die Begegnung im Elboger Rathaus hatte plötzlich eine Tür, die so lange verschlossen war, weit geöffnet. Alles bisherige Misstrauen hatte sich wie ein Nebel aufgelöst. Herr Horčička ist 1948 in Loket geboren und konnte sich noch gut an unser Haus erinnern. Von nun an gibt es eine gemeinsame Heimat.


Jäkel, 29.03.2011